Türkei: Menschen gehen an den Trümmern zerstörter Gebäude vorbei (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/EUROPA PRESS | David Zorrakino)

Türkei

Wegen Baumängeln: Erster großer Prozess nach Erdbebenkatastrophe

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Renée Diehl
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Elf Angeklagte müssen sich für den Einsturz eines Hotels und den Tod von 72 Menschen verantworten.

Das Isias-Hotel im Zentrum von Adiyaman ist vor elf Monaten bei der Erdbebenkatastrophe in der Türkei komplett eingestürzt. Grund sollen Baumängel gewesen sein. Die Vorwürfe:

  1. Das Hotel sei mit einem illegalen Stockwerk aufgestockt worden.
  2. Es habe keine Bodenuntersuchung stattgefunden, die im Erdbebengebiet eigentlich vorgeschrieben ist.
  3. Tragende Säulen habe man dünner gemacht, um Platz zu sparen.
  4. Der Beton sei minderwertig gewesen - zusammengemischt aus Sand und großen Kieselsteinen.

Erdbeben in der Türkei: Ist das Hotel wegen Baumängeln eingestürzt?

Diese Frage versucht man jetzt vor Gericht zu klären. Der Experte und Dozent für Bauingenieurwesen, Ahmet Can Altunişik, hat in dem Fall ein Gutachten erstellt. Er erklärt im türkischen Fernsehen:

Das Gebäude ist eingestürzt, wie wenn man einen Eimer mit Sand füllt, ihn umdreht und dann nach oben wegzieht. Dann brechen Teile vom Sand weg, der breitet sich aus.

Prozess gegen Hotelbesitzer, Architekt und weitere Verantwortliche

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten unter anderem bewusste fahrlässige Tötung vor. Unter den Opfern befinden sich zwei Jugend-Volleyballmannschaften aus Nordzypern.

Ein Teil der Angeklagten ist in Untersuchungshaft, darunter der Besitzer des Isias-Hotels, der es auch gebaut hat, und ein Architekt. In einem weiteren Prozess sollen sich dann Behördenvertreter verantworten, die Genehmigungen erteilt haben. Die türkische Regierung hat dem aber noch nicht zugestimmt.

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Baupfusch vor Gericht: Jugendvolleyball-Teams starben bei Erdbeben in Türkei

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Anmod:
In Adiyaman in der Südost-Türkei beginnt heute der erste große Prozess nach dem verheerenden Erdbeben vor elf Monaten. Es geht um ein eingestürztes Hotel, in dem 72 Menschen starben, darunter zwei Jugend-Volleyballmannschaften aus Nordzypern.
Text:
Unter den elf Angeklagten ist der Hotelbesitzer und ein Architekt. Sie sind in Untersuchungshaft. Aus Nordzypern ist eine Delegation aus knapp 100 Angehörigen der Opfer und weiteren Beobachtern für den Prozess angereist. Darunter sind auch Eltern, die vor elf Monaten selbst unter den Trümmern des Vier-Sterne-Hotels verschüttet waren, aber gerettet wurden. Von den 26 Kindern und Jugendlichen der Volleyball-Teams überlebte dagegen niemand.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten bewußte fahrlässige Tötung vor. Ihnen drohen mehr als 22 Jahre Haft. Laut einem Gutachten gab es erhebliche Baumängel an dem Hotel. Unter anderem sei es um ein illegales Stockwerk aufgestockt worden.
Es soll noch einen weiteren Prozess gegen Behördenmitarbeiter in Adiyaman geben, die Genehmigungen erteilt hatten. Die türkische Regierung hat dafür aber noch kein Grünes Licht gegeben.

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